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Was jeder Reiter wissen muss

Was jeder Reiter wissen muss

In einer Welt der Informationen ist Ignoranz eine bewusste Wahl.

Dieser Satz stammt von Mel Robbins, einer amerikanischen Motivationstrainerin. Und es gibt sicherlich kein Bereich, wo es besser passt, als in der Reiterwelt. Dabei bin ich schon vor über 45 Jahren mit dem Satz aufgewachsen "ein guter Reiter lernt nie aus".  In dieser Zeit haben die Erkenntnisse in Themenbereichen wie Pferdeverhalten, Pferdeanatomie, Pferdehaltung und Pferdeausbildung Quantensprünge gemacht. Keiner sollte sich nur noch auf die Aussage eines Trainers, eines Hufschmiedes und eines Tierarztes verlassen. Jeder ist gefordert, sich zu informieren und zwischen Alternativen abzuwägen. Wissen ist jedoch nur die eine Grundlage von Tierschutz. Die andere Grundlage ist ein Herz und Gefühl für Pferde. Manchmal können Menschen, die von Reiten und Pferden überhaupt nichts verstehen, auf Anhieb eine Lahmheit erkennen und eine treffende Aussage darüber abgeben, ob das Pferd sich gerade wohlfühlt, weil sie mit ihrem Herzen hingeguckt haben und nicht mit ihrem Verstand.

Im Zuge meines mittlerweile über 20-jährigen Reitunterrichtes habe ich immer mehr festgestellt, welche Leistung Pferde erbringen. Parallel bin ich seit über 16 Jahren Selbstversorger und bekomme somit hautnah mit, wann es den Pferden gut geht und wann nicht. Manche Dinge kann man nicht ändern, aber seine Sichtweise und Reiten schon.

1. Ein Pferd ist nicht fürs Reiten geboren

Versuche und Studien von Tierärzten haben ergeben, dass Pferde rein physisch gesehen, in der Lage sind, ein Gewicht zu tragen. Diesen Versuchen wird aber nicht Rechnung getragen, dass sowohl das Gewicht als auch das Pferd sich dabei bewegt. Schau dir mal dieses Bild an: 

Hier sieht man sehr schön, wie sich die Dornfortsätze bis Ende Widerrist nach hinten neigen, dann stehen sie fast gerade und dann neigen sie sich nach vorne.

Nun musst du keine Anatomiekenntnisse haben, um folgendes nachvollziehen zu können:

Bei einem Pferd mit nicht genügend oder falscher Muskulatur gibt der Rücken etwas nach, wenn der Reiter im Sattel sitzt. Wenn der Reiter nicht in der Lage ist die obere Verspannung des Pferdes zu aktivieren - und das können die Wenigsten - dann bleibt dieser etwas abgesenkte Rücken über die ganze Zeit des Reitens bestehen. Wahrscheinlich wird dir jetzt schon klar, was folgt: Zuerst ist es vielleicht nur eine leichte Muskelverspannung, wenn es schlimmer ist eine Insertionsdesmopathie, vielleicht auch ein leichter Fall von Ischialgie. Kissing Spine Syndrom häuft sich dann bei mehrjähriger Tätigkeit als Reitpferd.

 

 

Bildquelle: iStock (käuflich dort zu erwerben)

2. Pferde sind von Natur aus kooperativ

Das mussten sie sein, ihr Überleben hing davon ab. Wenn du einmal eine Herde von Pferden über einen längeren Zeitraum beobachtest, dann wirst du feststellen, dass jedes Pferd in der Herde eine Aufgabe und einen Platz hat. Die Anweisungen der ranghöheren Pferde sind manchmal unsichtbar und manchmal deutlich. Wenn du ein Pferd reiten möchtest, ist es deine Entscheidung, die "Brille" der Kooperation aufzuhaben. Es ist auch deine Entscheidung, wie gut du in deiner Kommunikation sprich deines Reitens werden möchtest. Ein Beispiel:  Ein Pferd ist büffelig. Es geht nicht rückwärts und es neigt zum Durchgehen. Die Reiterin ist ratlos und überfordert. Somit wird zuerst der Kinnriemen fester zugeschnallt. Das verändert nichts. Also wird jetzt ein Dreieckszügel eingeschnallt. Damit soll das Pferd auch besser über den Rücken gehen. Am Anfang kommt das auch allen Seiten so vor. Nach einem Monat sind alle Probleme wieder da. Wenn dein "Mindset" dahingehend ist, dein Pferd ist frech, stur, dominant (wir Menschen neigen dazu, zu urteilen), dann wirst du erst einmal versuchen, dich besser durchzusetzen. Klappt das nicht, holst du dir einen Pferdetrainer.

3. Das Anreiten - Grundlage für spätere Probleme

Pferde sind Fluchttiere und Beutetiere. Der Mensch hingegen ist - zumindest aus Sicht des Pferdes - ein Raubtier.  Somit kann das Pferd in der ersten Zeit unter dem Sattel Panik bekommen und zeigt dies durch Bocken oder Wegrennen. Nicht erst seit Monty Roberts haben viele großartige Ausbilder Wege gefunden, das Vertrauen des Pferdes am Boden zu gewinnen und dann erst aufzusteigen. Und natürlich gibt es Pferde, die aufgrund ihres Charakters einfach keine Probleme machen. Andere Pferde reagieren beim Aufsitzen panisch. Daraus kann sich im schlimmsten Fall ein Dauerproblem entwickeln. Manche Pferde wandern dann von Pferdetrainer zu Pferdetrainer. Bei allen Kandidaten ist jedoch der natürliche Reflex, den Rücken unter dem ungewohnten Gewicht, erst einmal anzuspannen. Im Laufe der Ausbildung muss dem Pferd dann systematisch gezeigt werden, diese "verspannte" Rücken- und Bauchmuskulatur wieder loszulassen. Hier denkt man natürlich sofort an junge Auktionspferde, die mit ihren verspannten Tritten Käufer begeistern. In meiner jahrzehnten langen Erfahrung mit Pferden sind mir leider auch jede Menge Freizeitpferde begegnet, die nie systematisch trainiert worden sind. Weder um ihren Rücken loszulassen noch um die Rücken- und Bauchmuskulatur aufzubauen.

Das ist Hidalgo im Sommer 2011. Über seine Krankheiten habe ich schon viel geschrieben, aber an dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen, wie lange es gedauert hat, bis wir endlich die Diagnose Kissing Spine Syndrom hatten. "Sein Hauptproblem ist das ISG", sagte mir damals Dr. Uwe Petermann. Nein war es nicht, die Probleme im ISG waren lediglich eine Folge des KSS. Dies zur Verdeutlichung, wie selbst super erfahrene Tierärzte sich irren können und weshalb ich so dafür plädiere, grundsätzlich den Rücken zu röntgen und Ultraschall zu machen.

4. "Ich hab auch Rückenschmerzen und geh trotzdem arbeiten"

Sprüche wie dieser und "es ist nicht so wichtig, welche Diagnose es ist oder ob das Pferd Schmerzen hat, es kommt darauf an, wie es damit umgeht" - der eine von einem Reitlehrer und S-Springreiter, der andere von einem Hufschmied und M-Springreiter, sind für das Pferd absolut nicht anzuwenden. Das Pferd hat kein höheres Bewusstsein, es versteht auch nicht, dass es sich bewegen muss, weil seine Arthrose sonst viel schlimmer wird. Kennst du jedoch die genauen Diagnosen, kannst du bei  Spat beispielsweise darauf achten, dein Pferd anfangs länger Schritt zu reiten. Und zwar nicht nur planlos vor sich hin schlurfen, sondern richtig aktiv vorwärts. In meinem Blog

bekommst du nützliche Ideen, wie du das besser gestalten kannst. Und in meinem

bekommst du für € 25 Pläne, Videos und genaue Erklärungen an die Hand, mit denen du nicht nur ein perfektes Aufwärmtraining für jedes Pferd in der Hand hast, du baust auch Muskulatur - und zwar die richtige - auf.

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