· 

Ins Gelände reiten

Mit Freude ins Gelände reiten

 "Wie kannst du mit einem Anfänger nur ins Gelände reiten!", dies habe ich sehr oft von Reitern gehört, die meist selbst reine Bahn- und Hallenreiter waren. In der Tat sollte man nicht einfach mit einem Pferd ins Gelände reiten, das jahrelang nur in Reitbahn und Halle unterwegs war. Zwangsläufig kommt es dann auch beim ruhigsten Pferd irgendwann zur Reizüberflutung. Und dann möchte das Pferd, ein Fluchttier, seinem Instinkt folgen und fliehen.  

Ich selbst bin in solch einem Reitstall groß geworden. Ausritte gab es ein- oder zweimal im Jahr in der Gruppe und die Pferde waren dabei so gestresst, dass es keine Freude war. 

Pferde im Gelände trainieren

Dabei ist Geländereiten für Pferd und Reiter eine wunderbare Abwechslung. 

Und faule, triebige Pferde gehen im Gelände oft viel besser vorwärts. Dann kann man den Ausritt für Gymnastizierung nutzen. Schulterherein lässt sich fast überall reiten und unbefahrene Feldstrassen lassen sich für Schlangenlinien nutzen. Wenn das klappt, kannst du Kruppeherein reiten. 

Freude beim Reiten für Mensch und Pferd

Vor vielen Jahren lebte ich in England und dort begegnete mir Wellington, ein Halbblut, Abkömmling erfolgreicher Rennpferde und ehemaliges Vielseitigkeitspferd. Sein Besitzer hatte großen Respekt für die deutsche Reitkunst und so kam es, dass ich ausersehen wurde, Wellingen, genannt Welly, mit 3 anderen Mitreitern ins Gelände zu reiten. "Wow, du darfst Welly reiten!", sagten sie voller Ehrfurcht, als ich aufstieg. Wir ritten los und …. nichts passierte. Wir ritten an einer stark befahrenen Bundesstraße entlang und Welly wackelte nicht einmal mit dem Ohr. "Naja", dachte ich, wahrscheinlich haben mich die Anderen ein bisschen auf den Arm genommen. 

Schließlich kamen wir zu einem Tor. Dahinter lag eine Wiese. In England gibt es die "public footpaths". Sie können mitten durch eine Kuhweide führen und deshalb muss man dann Tore auf und zu machen - auch als Englischreiter. Wir ritten durch das Tor und auf einmal stand Weilly auf seinen Hinterbeinen. "Du kannst Welly laufen lassen", sagte die Gruppenleiterin noch und weg waren wir. Mein Eselchen hatte sich in eine Rakete verwandelt. 

Auf diesen Ausritt folgten viele weitere.  Welly konnte nicht nur schnell galoppieren, er hatte auch eine unheimliche Kraft in der Hinterhand und konnte dadurch mächtig beschleunigen. Das schönste daran war, er zeigte mir seine Freude beim Ausreiten, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte. Erstmalig hatte ich das Gefühl, dass ein Pferd wirklich Spaß haben kann mit einem Reiter obendrauf. So entstand meine Begeisterung fürs Gelände reiten. 

Wie mache ich mein Pferd sicher fürs Gelände?

Du kannst mit einem Gelassenheitstraining in der Bahn oder in der Halle beginnen. Richtig Spaß macht es, wenn du noch ein paar Leute dafür gewinnen kannst, mitzumachen. Wenn dein Pferd sehr ängstlich ist, fang mit wenigen Dingen an, z. B. ein aufgestellter Regenschirm, ein Stück Folie auf dem Boden etc.

Übe auch das Führtraining in der Bahn oder einem umzäunten Bereich. Rempelt dein Pferd dich an oder reist es sich los, wenn es sich erschreckt? Dann solltest du erst einmal eine Stunde Bodenarbeit bei einem Trainer buchen. 

"Du bist der Kapitän von deinem Schiff"

Wenn Gelassenheitstraining und Führen gut klappt, kannst du mit deinem Pferd eine kleine Runde zu Fuß ins Gelände gehen. 

Dabei musst du wissen, welche Strecke du gehen möchtest und die gehst du, ohne zaudern und zögern. Diese Sicherheit überträgt sich auf dein Pferd. Im Gegensatz dazu wird es sofort unsicher, wenn du anfängst in der Gegend herumzuschauen, oder zu denken "oh, da kommt ein LKW, mein Pferd wird sich erschrecken". Dein Pferd kann deine Gedanken lesen in deiner Körpersprache und wird sich dann tatsächlich erschrecken. 

Gib deinem Pferd Sicherheit im Gelände

Viele Reiter wünschen sich von ihrem Pferd, dass es sie so einfach entspannt durchs Gelände trägt und sie müssen nichts tun. Einfach nur passiv oben drauf sitzen. Pferde wünschen sich aber eins mehr als alles andere: Sicherheit. Und Sicherheit gebe ich als Reiter dem Pferd nicht nur durch Führung sondern auch durch ein Reiten, das dem Pferd zeigt, wie es seinen Körper so einsetzen kann, dass die Last da obendrauf angenehm zu tragen und keine Bürde ist. "Reite dein Pferd vorwärts und richte es gerade". Diesen Grundsatz habe ich erst durch das Reiten im Gelände verstanden. Und wie bereits erwähnt, kann man den Vorwärtsdrang im Gelände optimal für Seitengänge nutzen. Und dann lässt es sich wunderbar kontrolliert angaloppieren.  Der Nebeneffekt von aktivem Reiten: Du hast gar keine Zeit darüber nachzudenken, dass sich dein Pferd irgendwo erschrecken könnte.

Sicherheit für den Reiter im Gelände

Nur mit Reitkappe ausreiten

Immer noch und immer  wieder sehe ich Reiter ohne Reitkappe ausreiten. Die Tochter des Besitzers von Wellington, von dem ich oben erzählte, fiel beim Reiten im Gelände mit dem Hinterkopf auf den Asphalt und war den Rest ihres Lebens geistig- und körperlich so behindert, dass sie zum Pflegefall wurde. Sie war eine sehr gute Reiterin und es war nur ein harmloses Wegrutschen auf Asphalt. In einem Reitstall nicht weit von hier rannte das Pferd samt Bereiterin aus der offen stehenden Halle, rutschte weg und die Frau fiel ebenfalls auf den Hinterkopf. Sie überlebte den Sturz nicht. Diese wahren Begebenheiten erzähle ich jedem, den ich ohne Reitkappe ausreiten sehe und manchmal wirkt es. Auch die Notärztin im 1. Hilfe Kurs, der Bestandteil des Berittführerlehrganges war, bestätigte, dass noch immer zu viele Notfälle aufgrund der fehlenden Reitkappe passieren.

Wenn du alleine ausreiten mußt bzw. möchtest...

Generell heißt es ja, man soll nicht alleine ausreiten. Aber nicht immer hat man jemanden, mit dem man zusammen ausreiten kann. Bei den Pferden, die alleine sehr unsicher waren, habe ich immer ein Handpferd mitgenommen. Handpferdereiten ist allerdings nicht ganz ungefährlich. So hatte ich tatsächlich den Fall, dass mein Warmblut, den ich ritt und der Haflinger, den ich als Handpferd hatte, unterschiedlicher Auffassung waren. Das Warmblut erschreckte sich und "gab Gas" und der Haflinger blieb stehen. Ich wurde aus dem Sattel katapultiert, fiel auf die Seite und bekam keine Luft mehr. Für einen klitzekleinen Moment, hatte ich das Gefühl "das wars jetzt".

Zum Glück gibt es mittlerweile für solche und andere Fälle den "Guardian Horse". Das ist ein Chip und eine App. Den Chip befestigtst du am Pferd. Wenn du alleine ausreitest, runterfällst und dein Pferd verabschiedet sich, werden dann nach Ablauf von 60 Sekunden - in denen du das noch stoppen kannst, deine vorher angelegten Notfallkontakte per SMS benachrichtigt.

Es ist ein Gefühl unglaublicher Freiheit, über solch ein Feld - natürlich mit Genehmigung des Feldbesitzers - zu reiten. 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0